Erst pinkeln, dann gräßliche Musik – das ungeschriebene Gesetz des Festivalmorgens. Doch heute wurden wir überrascht: Die Blase hielt sich verdächtig ruhig, und auch die Nachbarn schienen ihren DJ in den Winterschlaf geschickt zu haben. Eine ganze Stunde später als gewohnt begann unser tägliches Ritual – fast so, als hätte das Summer Breeze kurz in den Snooze-Modus geschaltet. Es war einfach nur ein seltener Moment der Gnade.

Schlachtbeginn um 13:50 Uhr – Asenblut eröffnen das Gefecht

Die erste Band des Tages startete für uns wieder früh – ähnlich wie gestern, aber musikalisch in einer völlig anderen Welt. Gestern Hanabie: knallbunte Metalcore-Explosion mit Anime-Vibes und rosa Haaren. Heute Asenblut: Wikinger-Metal mit Axt im Anschlag und Bartöl im Gepäck. Wenn Hanabie ein Energy-Drink mit Glitzer war, dann war Asenblut ein Krug Met, direkt aus dem Schädel eines Feindes gesoffen.

Die Sonne stand hoch über dem Infield, gnadenlos wie ein feindlicher General. Doch unter der Wera Stage sammelte sich das Volk – anfangs war unklar, ob die Menge dem Schatten oder der Band huldigte. Doch mit den ersten Tönen war jede Frage überflüssig. Die Meute jubelte, die Stimmung kochte – und die Bühne wurde zum Schlachtfeld.

Wenn Tetzel und seine Krieger die Bühne betreten, verwandelt sich das Gelände vor der Bühne in ein Schlachtfeld aus Klang und Mythos. Mit donnernder Präsenz schleuderte Asenblut ihre Hymnen ins Volk – nicht einfach Songs, sondern musikalische Kriegserklärungen. Jeder Track traf wie ein Axtschlag ins Mark, jeder Refrain hallte wie ein Ruf zur Ehre durch die Reihen der feiernden Meute.

Die Menge antwortete mit erhobenen Fäusten, wehenden Haaren und einem kollektiven Ausbruch aus dem Alltag. Es war, als würde ein uralter Instinkt erwachen – der Drang, sich zu erheben, zu kämpfen, zu feiern. Die Bühne wurde zum Thron, die Fans zu Gefolgsleuten, und die Musik zum Schlachtruf einer modernen Horde.

Zwar hätte der Auftritt zur Abenddämmerung noch epischer gewirkt – mit flackernden Fackeln, aufsteigendem Nebel und dem tiefen Klang von Hörnern, der durch die Dunkelheit schneidet – doch nicht jede Schlacht wird bei Mondschein geschlagen. Auch im grellen Licht des Tages bewiesen Asenblut, dass ihre Macht nicht von der Kulisse abhängt, sondern von der unbändigen Energie, die sie entfesseln.

Nach dem Kampf zogen wir uns zurück. Unter einem Sonnenschirm – einem bescheidenen Baldachin gegen die sengende Sonne – fanden wir Zuflucht. Nicht unbedingt ein kühler Wald, aber immerhin Schatten. 

Urbaner Aufprall – Avralize zerlegen die Bühne

Dann richteten wir den Blick nach vorn. Die nächste Band stand bereit – stilistisch ein Kontrast wie Tag und Nacht. Wo Asenblut mit archaischer Wucht und mythologischer Bildsprache arbeitete, setzt Avralize auf moderne Härte, emotionale Zerrissenheit und eine Klangwelt, die eher an urbane Abgründe als an nordische Legenden erinnert.

Avralize betraten die Bühne wie ein Sturm, der sich nicht ankündigt, sondern einfach losbricht. Wer sie schon einmal live erlebt hat, wusste: Diese Band kommt nicht, um zu spielen – sie kommt, um alles rauszulassen. Und Energie hatten sie mehr als genug. Jeder Song war ein Ventil, jeder Breakdown ein Befreiungsschlag.

Statt mythologischer Erzählungen gab es rohe Emotionen, urbane Klanglandschaften und eine musikalische Wucht, die direkt ins Herz und in die Magengrube zielte. Die Bühne wurde zum Schauplatz innerer Konflikte, die sich in Shouts, Riffs und pulsierenden Rhythmen entluden.

Avralize wirkten von Anfang an voll bei der Sache. Kein großes Drumherum – einfach raus auf die Bühne und los. Der Sound war druckvoll, die Songs saßen, und man merkte, dass die Band Bock hatte, die Bühne einfach abzureißen.

Zwischen den Tracks gab’s ein paar kurze Ansagen, aber im Mittelpunkt stand ganz klar die Musik. Breakdowns, Tempowechsel, fette Riffs – das Publikum nahm’s dankbar auf. Die Fans waren textsicher, laut und durchgehend in Bewegung. Es wurde gesprungen und gefeiert.

Nach vier Songs war für uns klar: Avralize liefern genau das, was wir uns erhofft hatten. Die Energie war da, der Sound fett, das Publikum voll dabei. Trotzdem entschieden wir uns, weiterzuziehen – nicht, weil es langweilig wurde, sondern weil wir einfach Bock hatten, noch ein Stück Royal Republic auf der Mainstage mitzunehmen. Also machten wir uns auf den Weg, gespannt, was uns dort erwarten würde.

Royal Republic: Wenn der Metaltraum tanzen lernt

Auf der Mainstage angekommen, erwischten wir noch die letzten fünf Songs. Das Battlefield war gut gefüllt. Die Stimmung war ausgelassen, die Leute tanzten, sangen mit und feierten, als wäre es das Finale des Festivals. Und endlich schoben sich Wolken vor die Sonne – eine willkommene Abkühlung, die uns noch mehr Freude machte, uns Royal Republic anzuschauen.

Die Band hatte sichtlich Spaß, und das übertrug sich auch aufs Publikum.

Ein besonders unterhaltsamer Moment kam von Sänger Adam Grahn, der zwischen zwei Songs eine kleine Anekdote zum Besten gab: Als er die Band gründete, wollte er eigentlich eine richtig coole Heavy-Metal-Truppe ins Leben rufen. Harte Riffs, düstere Attitüde – das volle Programm. Doch irgendwann kam der Gedanke auf, dass es vielleicht nicht ganz verkehrt wäre, mit Musik auch Geld zu verdienen. Und so, wie er es erzählte, war klar: Das war der Wendepunkt. Aus der geplanten Metal-Band wurde Royal Republic – mit catchy Hooks, tanzbaren Beats und jeder Menge Pop-Appeal.

Diese Geschichte war nicht nur witzig, sie war auch die perfekte Einleitung für das, was danach kam: ein Cover von Metallica, das die Menge nochmal richtig aufdrehen ließ. Ironie, Selbstironie und musikalisches Können – Royal Republic überzeugten mit einem Augenzwinkern und spürbarer Leidenschaft.

Nach dem Auftritt von Royal Republic gönnten wir uns einen kurzen Abstecher in die VIP-Area. Ein kühles Bier, ein bisschen Ruhe – genau das Richtige, um kurz durchzuatmen. Die Wolken, die zuvor noch für angenehme Abkühlung gesorgt hatten, wurden nun dichter und dunkler. Die bereits vom Summer Breeze-Team herausgegebene Wetterwarnung bewahrheitete sich: Zwar blieb das angekündigte Gewitter aus, doch der Regen setzte ein – und das leider genau zu dem Zeitpunkt, als wir uns eigentlich Nattverd auf der Wera Stage anschauen wollten.

Wenn der Regen zur Ouvertüre wird – Nattverd entfesselt nordische Finsternis

Trotz des einsetzenden Regens machten wir uns auf zur Wera Tool Rebel Stage, denn: Black Metal ist halt kein Kindergeburtstag. Die dunklen Wolken, das Prasseln auf die Kapuzen, die teils matschigen Wege – all das schien fast wie Teil der Inszenierung. Und dann kam Nattverd.

Die Norweger lieferten eine kompromisslose Show, ganz im Geiste des True Norwegian Black Metal. Ihr Sound war kalt, roh und gnadenlos – eine Mischung aus Blastbeat-Gewitter, frostigen Riffs und finsterer Atmosphäre. Dabei war ihr Auftritt alles andere als stumpf: Zwischen all der Raserei blitzten immer wieder subtile Melodien und Harmonien auf, die dem Ganzen eine gewisse Tiefe verliehen. Wer hier nur mit Krach gerechnet hatte, wurde eines Besseren belehrt – Nattverd verstehen es, Dynamik und Atmosphäre meisterhaft zu verbinden.

Interessanter Hintergrund: Der Auftritt fand im Rahmen eines Bandaustauschprogramms zwischen dem Summer Breeze Open Air und dem renommierten Inferno Metal Festival in Oslo statt. Seit 2024 zielt diese Kooperation darauf ab, die musikalischen Verbindungen zwischen Deutschland und Norwegen zu stärken. So treten deutsche Bands in Norwegen auf – und umgekehrt. Dieses Jahr war Nattverd einer der norwegischen Vertreter in Dinkelsbühl, während etwa Vorga aus Deutschland beim Inferno Festival die Bühne entweihte. Eine Initiative, die nicht nur kulturellen Austausch fördert, sondern auch die Extreme-Metal-Szene international enger vernetzt.

Zurück zum Geschehen: Es fühlte sich in der Tat fast so an, als wäre der Regen Teil der Show von Nattverd gewesen. Kaum war ihr letzter Ton verklungen, ebbte der Regen ab. Für uns war das Timing ideal: Wir nutzten die trockene Phase, um uns beim Asia-Stand etwas Warmes zu holen. Es gab gebratene Nudeln mit Hühnerfleisch. Die unterschied sich von der vegetarischen Variante gefühlt nur durch fünf Stückchen Fleisch . 10,50 € vs. 8,50 € – Sparfüchse aufgepasst :-)

Später wollten wir für eine Weile in die Welt des Black Metal auf dem Campsite Circus eintauchen. Die Bühne mitten im Campground versprach rohe Energie, Nähe zur Szene und eine Atmosphäre, die man auf den großen Bühnen so nicht bekommt. Wir hofften allerdings, dass der Regen nach Nattverd nicht jede Black-Metal-Band „huldigt“ – einmal nass werden reichte uns.

Obscurity auf dem Campsite Circus – Premiere mit Charakter

Dass Obscurity zum ersten Mal auf dem Summer Breeze spielten, überraschte uns ehrlich gesagt. Die Band existiert seit über zwei Jahrzehnten und ist in der deutschen Pagan- und Viking-Metal-Szene längst kein unbeschriebenes Blatt mehr. Mit ihren epischen Hymnen und markanten Riffs haben sie eine treue Fangemeinde gewonnen – höchste Zeit also für ihren Einstand auf dem Festival.

Der Auftritt auf dem Campsite Circus war dann auch ein echtes Highlight: Die Band präsentierte sich extrem publikumsnah und sympathisch. Frontmann Agalaz suchte immer wieder den Kontakt zu den Fans, scherzte, heizte die Stimmung an und ließ keine Zweifel daran, dass Obscurity gekommen waren, um zu feiern.

Gitarrist Njálvar hatte an diesem Tag Geburtstag – was ihm ein lautstarkes Ständchen vom Publikum und ein breites Grinsen ins Gesicht bescherte. Und als wäre das nicht schon genug Metal-Spirit: Grimnir, der zweite Gitarrist, hatte sich kurz zuvor bei einem Treppensturz zwei Zehen gebrochen. Doch statt sich davon bremsen zu lassen, stand er stilecht in Boots auf der Bühne und zog das Set durch, als wäre nichts gewesen. Schmerz hin oder her – Haltung zählt.

Obscurity lieferten eine kraftvolle Show, die nicht nur musikalisch überzeugte, sondern auch durch ihre Nähe zum Publikum und die spürbare Leidenschaft. Ein würdiger Einstand – und hoffentlich nicht der letzte Besuch auf dem Summer Breeze.

Von Mythen, Bergen und Abgründen – Antrisch betreten die Bühne

Mit Antrisch wurde es danach düster und atmosphärisch auf dem Campsite Circus. Die Band verbindet Black Metal mit einer fast cineastischen Klanglandschaft, die sich thematisch ganz dem Extrembergsteigen und den Geschichten verschollener Expeditionen widmet. Ihre Songs sind keine bloßen Tracks – sie sind musikalische Erzählungen über Isolation, Naturgewalt und menschliche Grenzerfahrungen. Wer sich auf Antrisch einlässt, taucht ein in eine Welt aus Eis, Nebel und Legenden.

Wir waren besonders gespannt auf ihren Auftritt, denn die Band gilt als Live-Erlebnis – und das völlig zurecht. Schon beim ersten Ton war klar: Hier wird nicht einfach Musik gespielt, hier wird Atmosphäre geschaffen. Die Bühnenoutfits passten perfekt zur Thematik – funktional, rau, aus einer anderen Zeit. Man hatte das Gefühl, einer Expedition beizuwohnen, nicht einem Konzert.

Die Show war intensiv und packend. Antrisch verstanden es, Spannung aufzubauen und das Publikum in ihren Bann zu ziehen. Jeder Song wirkte wie ein Kapitel aus einem düsteren Tagebuch, getragen von kraftvollen Riffs, treibenden Drums und einer Stimme, die zwischen Verzweiflung und Entschlossenheit pendelte. Es war kein Auftritt zum Mitsingen – sondern zum Mitfühlen.

Ein Erlebnis, das hängen bleibt – und das zeigt, wie viel Tiefe und Konzeptkunst im Extreme Metal stecken kann.

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